Gegen 12.00 Uhr am Ostseebad in Flensburg: Wasser- und Lufttemperatur liegen bei 3°, gefühlt noch ein paar Grad weniger. Der Himmel ist grau. Bedingungen, zu denen es am Sonntagvormittag wohl wenige herausziehen würde – heute ist es jedoch anders.
Es haben sich geschätzte 500 Menschen am Strand zusammengefunden. Auf dem Wasser kreuzt die DLRG und an der Promenade steht ein Rettungswagen bereit.
Über den Strand schallt Punkrock und dort ist auch ein Infotisch von „Kein Bock auf Nazis“ platziert – mit einer Spendendosen für eben jene Initiative und einer weiteren Dose für „Eisbademeisters Hamburg“.
Während sich „Kein Bock auf Nazis“ um Bildungsarbeit gegen rechts kümmert, haben die „Eisbademeisters Hamburg“ die Idee für „… für Wärme ins kalte Wasser zu springen…“, also Spenden für soziale Zwecke zu sammeln in Hamburg etabliert und laden dort regelmäßig zu Badeevents ein. Zuletzt Mitte Januar zusammen mit dem FC St. Pauli.
Aus dem St. Pauli-Umfeld gelangte die Idee nach Flensburg und innerhalb weniger Tage lud ein breites Bündnis von Unterzeichnern zum Eisbaden. Dabei waren unter anderen die Europa-Universität Flensburg, der Jugendtreff exxe, der Flensburger Jugendring, das Diakonische Werk, die Flüchtlingsinitiative Flensburg sowie die Sportpiraten, von denen Dirk Dillmann den Wasserlauf einläutete.
Eher zufällig ergab sich, dass die über hundert Winterbader vom Strand Richtung des Badesteges mehr liefen als schwammen und dort über die Badetreppe zwischen den Zuschauern, die das Event vom Steg aus beobachtet hatten, zurück zum Strand gelangten. Die Stimmung war großartig, die Winterbader:innen bildeten einen schönen Querschnitt durch alle Altersstufen ab. Was alle Beteiligten verband: Die Idee von einer bunten, vielfältigen Gesellschaft ohne Ausgrenzung und Rassismus und die Freude darüber, dass in unserer Stadt so kurzfristig so viele Menschen zusammen kommen, um ein Zeichen zu setzen.
Genau darum ging es bei dieser Veranstaltung letztendlich: Bewusstsein schaffen in einer Zeit, in der Rechtsextreme überall in Europa das Wort ergreifen, die AfD aus jeder Wahl gestärkter hervorgeht und in der Nazis, mittels nicht mehr allzu konspirativer Treffen, Abschiebephantasien entwickeln. Um die Frage aus der Überschrift aufzugreifen: Natürlich gibt es nicht einen Nazi weniger auf der Welt, weil sich ein paar Menschen bei unkomfortablen Temperaturen der Ostsee aussetzen. Es ist jedoch ein Zeichen dafür, dass Rechtsextremismus und Rassismus vielen Menschen in Flensburg nicht egal sind.
Nach dem Baden gab es Tee und Kaffee, die Spendenboxen wurden gut frequentiert und zum Ende des Events zog dann auch noch über Mürwik ein Regenbogen auf – nur die Füsse waren noch recht kalt.
…und ach: Vielen Dank an Daniel fürs Fotografieren, den ich vorher nicht kannte und dem ich meine Kamera in die Hand gedrückt habe – da ich ja selbst auch baden wollte!
EIN RECHT PERSÖNLICHES – VON ABSCHWEIFUNGEN DURCHSETZTES – PLÄDOYER FÜR DEN RESPEKVOLLEN UMGANG MIT KUNST IM ÖFFENTLICHEN RAUM – ein etwas älterer Text
„Arschloch…“ ist noch eines der chamanteren Dinge, die ich mir denke… .
Was für Eltern muss man haben, wie dumm und frustriert zu gleichen Maßen muss ein Mensch sein, um so etwas zu machen.
Bei aller Sympathie und Verständnis für das adoleszente Bedürfnis sich auszudrücken, Spuren zu hinterlassen – ich begreife es einfach nicht.
Was soll das? Ja, das Brauchtum Tags zu hinterlassen ist mir bekannt. Gemeint damit sind diese kleinen Kürzel, gern mit Lackstift gesetzt, die ähnlich des Urinstrahles eines männlichen Hundes, das Revier markieren sollen – für Eingeweihte ein Code, für viele andere einfach nur lästig.
Aber das? Quer über eine kleine Nixe, ganz offensichtlich eine Kindermotiv, steht in ungelenken Buchstaben „ACAB.“, Augen, Gesicht und Körper der anderen kleinen Meeressäugerin in der gleichen Farbe übermalt. Einige weitere Schmierfinken haben mehr oder weniger dezent noch ihre Tags hinzugesenft.
Mal abgesehen von dem stumpfen, anachronistischen und ein klein wenig pauschalisierenden Charakter der Aussage (A.C.A.B. = All Cops Are Bastards), an dieser Stelle ist sie extrem unpassend und völlig deplaziert.
Was soll das, Blödmann, hm? „Alle Bullen sind Bastarde und kleine Nixen sowieso – Scheißsystem!“
Hast du das wirklich gedacht, oder warst du einfach nur besoffen und hattest gerade eine Farbdose in der Hand? Mannmannmann, die Hand möge dir verdorren und abfallen.
Streetart, Graffiti gehört da ja mit rein, beinhaltet die Idee sich die Straße, den öffentlichen Raum anzueignen. Banksy, mittlerweile ein gehypter Superstar, hat es wie viele andere gezeigt ästhetisch, kritisch und witzig im Graubereich zwischen Illegalität, Vandalismus und Kunst zu agieren.
Punkrock hat mit viel Wut, Energie, Lust an der Destruktion und der Idee sich selbst zu produzieren die Grundlage für eine Independent Kultur von Labels und Clubs gelegt, von der vielfältige Subkulturen profitieren.
Die Parole „A.C.A.B.“ stammt wohl aus England und wurde in Deutschland von der Band Slime, einer Hamburger Punkband, mittlereweile reanimiert und neu durchgestartet, geprägt und ist soetwas wie ein Punkrockklassiker. Der Song entstand Anfang der 80erJahre des letzten Jahrhunderts unter den Eindrücken, welche die ersten Punks in Deutschland mit der Exekutive machten…
Mittlerweile ist dieses Kürzel verfremdet und persifliert worden (All colours are beautiful oder auch All cats are beautiful), bzw. wie so vieles, was in einer im weitesten Sinne linken Subkultur fußt, von einer rechten (Hooligan-) Szene gekapert worden.
Und mit all dem hast du, kleiner armseliger Nixenbeschmierer nix zu tun, bestenfalls könnte man dir eine gewisse nihilistische Destruktivität zugestehen – irgendwie punkig – aber in erster Linie halt scheiße.
Wer diesen Generalwatschen in Richtung unbekannt durchgestanden hat und sich die ganze Zeit fragt, woher ich diese ganze Wut nehme…
Zum Anfang. Seit mittlerweile 11 Jahren werden von dem Flensburger Jugendtreff exxe die Flensburger Stromfarben ausgerichtet – eine Aktion gesponsort von der Stadtwerken und Farben Sörensen. An einem Wochenende im Spätsommer, gestalten mehrere Teams – bunt gemischt vom künstlerischem Laien bis zu professionellen Graffittikünstler:innen – angeleiten vom rührigen Team der Exxe einen Stromkasten im Stadtgebiet. Eine Aktion, die niemanden schadet, die meisten Menschen – zumindest die mit denen ich sprach – erfreut, Flensburg lebendiger macht und kreative Energien freisetzt.
2014 nahm ich das erste mal mit meiner damals 6jährigen Tochter daran teil, es war ein schönes Vater-Tochter-Projekt. In das Stadtbild eingreifen, etwas Gemeinsames schaffen, zusammen die Welt ein bisschen schöner machen.
Die Entwürfe lieferte meine Tochter: Nixe 1, Nixe 2 und Fische. Szenario und ein Großteil der Ausführung erfolgte durch mich. Wir waren über das Aktionswochenende hinaus an „unserem Kasten“ beschäftigt. 24 Stunden steckten wir bestimmt in die Arbeit – ehrenamtlich wenn ihr es so nennen wollt. Besonderen Anteil an unser Arbeit nahm eine ältere Anwohnerin mit russischem Akzent, die sowohl meiner Tochter, der Aktion als solches als auch dem Motiv viel Sympathie entgegenbrachte.
Seit dem ist viel passiert… meine Tochter hat zusammen mit mir einen weiteren Kasten gestaltet. Wir gewannen mit ihm den Hauptpreis – jedes Jahr wird eine Ballonfahrt im Stadtwerkeballon verlost.
Im letzen Jahr sprang meine Tochter bei einem vielleicht etwas zu ambitionierten Projekt ab – Meine Frau und ich brachten es mit einer Freundin zu Ende, mit der noch einmal und nocheinmal und 2023 erneut tätig wurden.
Meine Tochter gestaltete indes zusammen mit einer Freundin autonom einen eigenen Kasten und dann noch einmal.
Und immer, wenn ich einen unserer Kästen sehe freue ich mich, denk an meine Tochter mit 6 Jahren, die immer noch irgendwo in dem Teenie steckt, der mich zu Hause mit Missachtung straft. Und vermutlich ging es meiner Tochter ähnlich, nur dass sie an den ehemals so netten Papa erinnert wird, der sich im Laufe ihres Reifeprozesses in dieses verständnislose, keinem Trend gegenüber aufgeschlossene Monster verwandelt hat.
Und dann kamst du – Arschloch – mit deiner Sprühdose.
Ich habe dann Anfang Oktober 2021 unser Werk vom September 2014 überarbeitet…
Gesäubert, schweren Herzens auch den „Wir sagen Moin!-Aufkleber“ abgekratzt – von wegen Broken-Windows-Theorie – und dann ausgebessert, übermalt, abgeklebt… Die Hintergundfarbe ist jetzt nicht mehr ganz so optimistisch, das Lächeln der Nixe etwas schiefer und die Farbwahl der Fische variiert auch geringfügig und partiell scheint noch etwas von der Farbe des Attentäters durch, aber das Werk ist wieder hergestellt. Der letzte Feinschliff steht noch aus, der soll dann gemeinsam mit meiner Tochter erfolgen. Wieder war ich bestimmt zehn Stunden beschäftigt und wieder war die freundliche Dame mit dem osteuropäischen Akzent vertreten, die über die Hooligans schimpfte, welche unsere kleinen Nixen geschändet hatten.
Also… Fazit… Egal wer da nun sprühender und taggender Weise durch die Gegend zieht… denkt doch mal ein bisschen drüber nach WO ihr eure Ergüsse hinterlasst. Es gibt durchaus Orte, die ohnehin nicht sehr ansehnlich sind…
aber lasst die Finger doch einfach von den Arbeiten anderer, insbesondere von kleinen Nixen… doof das.
Ich bin Fanboy. Das seit 2004 und mit Ü50. Ich glaube, das erste Stück, welches ich von Funny van Dannen kennen lernen durfte, war „Nuttenauto“. Wer Funny van Dannen nicht kennen sollte, darf jetzt trotzdem weiterlesen. Niemand ist in der Lage Vulgärsprache so schön in seine Lieder einzubauen, ohne dass es ihm übel genommen werden kann. Neben dem besagten Auto kann es bei Funny um Dingficker, Herzscheisse oder Posex & Poesie gehen. Ihn auf eine Art Wolfgang Wendland für FaZ oder taz-Leser zu reduzieren, würde ihm jedoch nicht gerecht werden.
Vor Jahren bekam ich einmal eine Götz-Alsmann CD geschenkt mit den Worten „Hört sich an wie Schlager, ist aber Punk.“ Nö… war Schlager, wenn auch der erträglichen Art.
Von Funny van Dannen kann jedoch gesagt werden: Hört sich an wie Liedermacher, ist aber Punk. Funny sprengt Genregrenzen, das haben auch Rantanplan und die Toten Hosen erkannt und verwenden gerne seine Melodien und Texte – nicht unbedingt seine Besten, aber einige der Eingängigsten. Herr van Dannen bietet neben herrlich absurden, poetischen, philosophischen und eben auch manchmal leicht anstößigen Inhalten den Vorteil, dass die Fans mit ihm zusammen altern können, was nicht mit allen Bands möglich ist, die sich so in der Subkultur tummeln.
Ist Funny von Dannen Subkultur? Nein, wohl eher nicht, dafür können sich vermutlich zu viele Menschen auf ihn einigen. Begonnen hat er vor Dekaden einmal bei den Lassie Singers – jene auch immer eher Pop als Punk – und trotzdem hiermit allen als ein kulturelles Kleinod empfohlen.
Funny ist witzig und politisch, dies mit einem hohen Anspruch an die Moral ohne aber jemals den Zeigefinger zu erheben oder gezielt in eine klare Richtung auszuteilen. Wenn ausgeteilt wird, dann in der Regel nach oben oder eben gegen das Brett vor dem Kopf. Darum geht es in den Texten: Geschichten zu erzählen, Gedankenspiele weiterzudenken oder einfach kleine absurde Gemälde im Kopf entstehen zu lassen – zur Kreativität anstacheln. Alles ohne Wut und Resignation, dafür aber mit viel Menschenliebe – und gerade deswegen auch mit viel Ironie.
Es gibt Alben, auf den Funny van Dannen mit Band oder anderer musikalischer Begleitung unterwegs ist, aber eigentlich reicht ihm die Gitarre und sein unglaublicher Charme. Den besonderen Reiz machen die improvisiert wirkenden Plaudereinen zwischen den Liedern – irgendwo zwischen Selbst- und Publikumsgespräch. Wenn es dabei manchmal auch um Fußball geht, sei ihm das verziehen, schließlich wäre er fast einmal Fußballer geworden.
Bei Funny van Dannen-Konzerten darf ruhig gesessen werden, insbesondere wenn es sich um eine kombinierte Lese- und Gesangstour handelt, wie bei der aktuellen „Angst vor Gott und songs to go–Tour“, bei der ich jüngst in Kiel war. Im ersten Block des Abends, dem Leseblock, agierte Funny zwischen den einzelnen Texten noch ein wenig mit dem Publikum – wie gewohnt. Auffällig oft nahm der Künstler dabei Bezug auf seine Erkrankung und dem daraus resultierenden, sich selbst auferlegtem, Verzicht auf Alkoholika, was ihm schon ein wenig zusetzen täte.
Leseblock? Ich vergaß zu erwähnen, dass der Mann neben seinen phantastischen Songs auch noch großartige absurde Texte und Gedichte schreibt. Malen kann er übrigens auch noch.
Der verstorbene Wiglaf Droste sagte einmal sinngemäß über seinen Kollegen, dass dieser ein begnadeter Autor und Maler sei… die Songs, für die ihn die Menschen so lieben täten, seien der schwächste Part seines kreativen Ausstoßes. Nunja…bekanntlich scheißt der Teufel ja immer auf den größten Haufen.
Insgesamt waren dem Künstler aber an diesem Abend nicht nur die Gesundheit sondern auch die allgemein sonst eher positive Laune verhagelt. Die aktuelle politische Situation, welche in den bekannten militärischen Auseinandersetzungen gipfelt, waren immer wieder Thema – Täter und Taten wurdendeutlicher benannt als sonst von ihm gewohnt.
Offensichtlich wollte Funny sein Publikum – bunt gemischt von gut bürgerlich bis punkig – anregen eigene Positionen zu entwickeln. Leider hetzte er durch den zweiten Teil, dem musikalischen Part des Abends. Er erschien mit einem Schwung Songtexte, welche ohne wesentliche Anmoderationen recht fix vom Blatt herunterspielt wurden. Das Konzert am nächsten Abend in Hamburg wurde dann auch wegen Krankheit abgesagt.
Die eigentliche Sensation für mich war, dass meiner achtzigjährigen Mutter, die jeden kreativen Gedanken und jede unflätige Äußerung meinerseits missbilligt, von dem Künstler begeistert war und gar nicht mehr aus dem Lachen heraus kam. Vielen Dank dafür, lieber Funny!
…eine ältere Grafik, endlich mal zu Ende gezeichnet. Und weil ich zu faul zum Radieren war, gibt es die Bleistiftstriche dazu.
Was passt besser zu diesem Jahr, als eine Aneinanderreihung von Schädeln? Im nächsten Jahr würde ich lieber Blümchen zeichnern.
An einer Stelle gibt´s einen logischen Fehler, insofern bei durchbrochener grafischer Kontinuität von einem Fehler gesprochen werden kann. Wer findets?
15. Dezember das Weihnachtskonzert von The T.C.H.I.K. im Speicher in Husum
Eine Weihnachtstour also…. Geile Leute- Weihnachtsfreude ist das Motto unter dem die The toten Crackhuren im Kofferraum zur Zeit unterwegs sind. Wer auf Grund des Bandnamen, dessen T-Shirttauglichkeit nur unter Einschränkungen funktioniert, auf Funpunk oder gar Ruhrpottassigepolter hofft, dürfte enttäuscht werden. Zwar wird von der Bühne reichlich gepoltert, geschimpft und ausgeteilt, bisweilen fielen auch der ein oder andere Begriff mit Nähe zur Fäkalsprache, aber für Freunde der niveaulosen Abendunterhaltung (Fickenfußballsaufenoi) war der Abend dann wohl doch eine Enttäuschung. Musikalisch irgendwie im Punk verwurzelt aber eben doch ganz anders… Elektropunk mit K-Pop-Attitüde?
Die Wut der Band, ist immer zielgerichtet, und das Ziel ist klar: Seit 16 Jahren ist die Kapelle mit drei bis vier Frauen im Bildvordergrund unterwegs und hat ihre Standpunkte hinsichtlich Feminismus und toxischer Männlichkeit in dieser Zeit bestimmt an eigenen Erfahrungen und Beobachtungen herausgearbeitet.
Der Typ mit der Stars&Stripes-Pudelmütze, Oberlippenbart und Eisenpimmelshirt verstand es evtl. trotzdem nicht, warum er von Seiten der Bühne gelegentlich Benimm-Nachhilfe bekam. Überhaupt: Im Speicher, sowieso ein wundervoller Konzertort, hingen Awareness-Hinweise, gleich zu Beginn sorgte die Band dafür, dass eher kleinere Menschen ihren Platz vor der Bühne fanden und Texte in denen es darum ging mit Hilfe des eigenen, von Außen als überproportioniert bewerteten, Gesäßes das Patrichat zu zerquetschen, ließen keinen Zweifel am Auftrag der Band. Mackertum und Blutpogo wurden mehrfach geächtet. Das Männer trotzdem nicht per se scheiße sind wurde zum Glück deutlich gemacht. Immerhin hatten alle Sängerinnen sich auf Casper als Vater ihres potentiellen Nachwuchses geeinigt. Dieses solidarische Konzept wurde allerdings von Sängerin Ilay unterlaufen, sodass der Kindsvater zur Strafe den Merch bedient und sich – vermutlich allabendlich – von der Band für diesen Eingriff in das Sozialgefüge der Crackhuren beschimpfen lassen muss.
Ich kannte die Band bisher nur von Konserve und war ein wenig gespannt. Soviel gleich: Alle Erwartungen wurden übertroffen. Und obwohl ich kaum welche der neuen Stücke kannte, gab es keine B-Seiten. Alles war tanz- oder zumindest mitwippbar. Viele Stücke standen von dem neuen großartigen Album „Gefühle“. …und darum ging es auch oft. Die Ansagen der Songs, meist durch Sängerin Luise waren oft persönlich und zeugten von eigener Betroffenheit. Themen wie Alkoholprobleme oder Depression sind keine leichte Kost – und verlangen dem Publikum ein gewisses Maß an Sensibilität ab (…nicht immer sofort vorhanden), aber der Band gelang der Spagat zwischen Gehalt und Glitzer recht gut.
Es gab Glitzerflügel, welche allerdings nach einem Bekenntnis zum Schlampentum abgelegt wurden, Tüllkleidchen mit noch mehr Glitzer und weiße Kunststofftannenbäume (mit Glitzer) auf der Bühne. Die Band hielt sich eher dezent im Hintergrund, während die Sängerinnen das Publikum dirigierten, bisweilen in die Choreographien einbezogen und nebenbei das Patrachiat zermalmten, Gentrifizierung anprangerten oder das Jobcenter wenig lobend erwähnten. Und wie es sich zu Weihnachten gehört, gab es Geschenke und George Michael durfte sich auch an diesem Abend ein paar Tantiem einstreichen. Danke! War großartig.
Es ist eine Weile her, dass ich hier etwas geblogt habe. Der grandiose Nepalurlaub blieb unerwähnt, die Südeuropatour mit meinem Sohn war auch kein Thema und mit dem Bejubeln der Party zur persönlichen Jahrhundertwende habe ich auch niemanden behelligt.
Und nun das… ein Virus hat mit noch recht unabsehbaren Folgen die Welt im Griff. Kaum ein französisches Stereotyp ist beliebter als das unter dem Arm geklemmte phallische Weißbrot… der Deutsche kontert hierauf in Krisenzeiten mit einer Familienpackung Klopapier.
…und billigem (!) Mehl …und Zucker … und Nudeln… Alles billig! Wichtig!
Das erste mal, dass ich etwas zu einem anderen Blog verlinke. Da freut sich der Kunst- und Biolehrer. Wenn ich mir jemals noch ein Bild in die Haut machen lass, dann in München.
Die Überschrift ist dem Stabreim und nicht irgendeiner revanchistischen Bestrebung geschuldet.
Nachdem ich meiner Freundin das nasse (die Wäsche!), auf Grund der Nässe übel gelaunte, kleine Bündel präsentiert hatte, bat ich sie darum zusammenmit mir und Katz noch einmal den Markt aufzusuchen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass so eine schöne kleine Katze von niemand vermisst wurde. Die befragten Marktfrauen konnten sich wiederum nicht vorstellen, dass irgendjemand so beknackt sei, eine Straßenkatze aufzunehmen und diese dann auch noch nach Deutschland überführen zu wollen. Auch die Tierärztin, die wir später aufsuchen sollten, fragte irritiert, ob es in Deutschland keine Katzen gäbe.
Das Kätzchen fühlte sich trotz der beengten Wohnverhältnisse in der 9m²-Miniwohnung wohl und benutzte von Anfang an das Katzenklo. Sie nahm begeistert jede offerierte Nahrung auf – verschmähte selbst Pelmeni nicht – und jagte mit Hingabe die reichlich vorhandenen Kakerlaken. Das Knacken des Chitinpanzers wenn Koschka so ein Insekt erlegt hatte und der folgende Verzehr der kleinen Eiweißgabe waren anfangs gewöhnungsbedürftig. Immerhin wurde die kleine Schnauze, in der eben noch ein zuckendes Bein verschwand, reichlich beschmust…
Der Comic ist unter dem Eindruck dieser zwar nicht sehr artenreichen aber doch populationsstarken Tierwelt entstanden – das Essverhalten meiner Katze jedoch nicht Gegenstand der Geschichte.
Abends war ich auf Grund des anhaltenden Durchfalls meines Kätzchens sehr besorgt und wollte einen Tierarzt aufsuchen, was bei meiner Freundin für Heiterkeit sorgte… Selbst als mit dem Tode ringender Homo Sapiens hätte man im postsowjetischen Russland wenige Chancen nach Dienstschluss einen Arzt zu finden…
Zum Tierarzt mussten wir einige Tage später dann aber doch – Koschka sollte vor der Fahrt nach Deutschland durchgeimpft sein, so die Aussage der Zollbehörde. Der Tierarzt befand sich in einem anderen Stadtteil und wir packten Koschka in einen eigens für diesen Zweck erworbenen Korb, den wir mit einem Netz abdeckten. Auf dem Weg passierten wir einen verwilderten Stadtpark und der Instinkt der Straßenkatze brach in plötzlicher Heftigkeit hervor. Das kleine Bündel gebärdete sich derart heftig in seinem Gefängnis, dass wir Sorge hatten es würde sich in dem Netz erdrosseln. „Straßenkatze bleibt Straßenkatze“, so oder ähnlich dachten wir und entließen das Tierchen schweren Herzens in die Freiheit.
Koschka entfernte sich mit Volldampf von uns und dem verhassten Korb, rannte wie ein Eichhörnchen einen Baumstamm herauf und verweilte dort in sicherer Entfernung auf einem Ast. Ich sah traurig zu ihr hin, chancenlos sie dort zu erreichen, selbst wenn ich es gewollt hätte. Ich hatte schon mein Leben als Katzenbesitzer vor Augen gehabt, akzeptierte aber die Entscheidung des Tieres für seine Freiheit. Wir packten also unseren Korb und zogen bekümmert ab… und stellten, nachdem wir einige Meter zurückgelegt hatten, fest, dass wir von einer kleinen Katze verfolgt wurden. Koschka hatte sich entschieden und so standen wir kurze Zeit später vor einer Tierärztin und erfuhren, dass die für die Überführung erforderliche Impfung bereits vor Wochen hätte durchgeführt werden müssen. Mist, jetzt hatte ich die Zustimmung der Katze und der jetzt sollte der Katzentransport an ein er behördlichen Vorgabe scheitern.
Koschka bekam von der freundlichen Veterinärmedizinerin keine Impfung, statt dessen aber die Bescheinigung aus der hervorging, dass sie die erforderliche Immunisierung zum entsprechenden Zeitpunkt bereits erhalten hatte. (…und die Tierärztin erhielt ihr Honorar für die ausgewiesene Maßnahme…).
KOSCHKA heißt auf russisch „Katze“, hört sich aber besser an und ist der Name meines Haustieres. „Tiere und Kinder gehen immer“ heißt es in der Journalistik, meint dass Kindchenschema gut ist für die Steigerung der Leserzahl … und ist für mich aber zumindest für die folgenden Beiträge egal – scheiß auf die Klickzahl.
Ich werde über meine Katze schreiben, weil ich ihr Leben und mein Leben mit ihr dokumentieren möchte, in erster Linie für mich, daher auch keine Tags, und um mich zur Regelmäßigkeit zu zwingen tue ich dies mit Vorankündigung.
In den nächsten Tagen werde ich vermutlich die persönlichsten Texte schreiben, die unter einjahrfrei entstanden sind.
Gefunden habe ich meine Katze im Sommer 1997 als Welpen – auf einem kleinen, von drei stark befahrenen Straßen umgebenen, Marktplatz in Kaliningrad / Russland. Ich verbrachte damals meine Tage damit, mich durch die Stadt und die Umgebung des Kaliningrader Gebiets treiben zu lassen, um die Zeit zu überbrücken bis meine Freundin von der Arbeit kam. Während ich irgendeinen Snack aus einer Pappschale löffelte sprang mir das kleine pelzige Wesen auf den Schoß und meldete seine Ansprüche auf mein Essen an. Koschka war bereits als junge Katze recht überlebensfähig, sonst hätte sie an diesem Ort wenig Chancen gehabt… und sie war wirklich schön. Ihre Fellfärbung und der buschige Schwanz erinnerten mich an Darstellungen von Wilkatzen – mein Tier hatte mich gefunden.
Die Idee, dass ein tierischer Begleiter mich aussucht und nicht umgekehrt trug ich schon länger in mir – in Kaliningrad mit seinen frei laufenden Hunderudeln und den vielen Straßenkatzen – war sie aber gereift. Es war Zeit für ein Haustier. Ich nahm das schmale Bündel mit in das kleine Zimmer, welches uns Freunde während ihrer Abwesenheit überlassen hatten, und wusch es ausgiebig. Ich wollte es vom Dreck der Straße und von Durchfallresten befreien – auch für das Kätzchen sollte klar sein, dass ein neuer Lebensabschnitt beginnen würde.
heute bin ich in Vietnam von Ningh Dingh nach Ha Noi mit der Eisenbahn gefahren. Das war ein Abenteuer! Ich habe mir das Zugticket ganz alleine gekauft. Davon möchte ich dir jetzt erzählen: Als wir am Bahnhof ankamen saßen schon ganz viele Leute im Warteraum, obwohl der Zug doch erst in einer Stunde um 13.07 Uhr fahren sollte. Leider war der Schalter, auf dem ein schöner roter Stern, so mit Gold außen rum, aufgeklebt war geschlossen. Da habe ich einfach die Frau mit der blauen Uniform, die vor dem Bahnhof an einem Schultisch Zugfahrkarten verkauft hat, gefragt (auf englisch!) ob sie auch eine für mich hat. Hatte sie aber nicht. Sie hat gesagt (auf englisch!!), dass der Schalter innen um 13.00 Uhr aufmacht und dass ich da eine Zugfahrkarte kaufen soll. Um 13.10 Uhr war der Zug noch nicht da, aber der Schalter mit dem roten Stern war auch noch gar nicht auf. Das fand ich schon ein bisschen komisch aber um 13.15 Uhr hat der Lautsprecher etwas auf vietnamesisch gesagt und die Frau von dem kleinen Schultischchen hat einen blauen Filzstift und einen Lappen genommen. Mit dem Lappen hat sie die Abfahrtszeit 13.07 Uhr weggewischt und statt dessen 13.40 Uhr hingeschrieben. Ich hatte ja immer noch keine Karte und dann habe ich die Frau mit der blauen Uniform noch einmal gefragt, ob sie eine Karte auch für mich hat und sie hat gesagt, dass der Schalter mit dem roten Stern um 13.30 Uhr aufmacht alles auf englisch). Ich habe dann mit meinem Freund vor dem Schalter gewartet und alle Leute, die in der Wartehalle waren, haben uns dabei zugesehen. Das war ein bisschen lustig aber die Leute hatten auch schon alle eine Fahrkarte, weil die haben sie ja schon gestern gekauft. Mein Freund hat gesagt er mag keinen Sozialismus. Ist das Sozialismus, wenn der Fahrkartenschalter immer zu hat?
Um 13.35 Uhr hat der Schalter aufgemacht und die Frau dahinter (in einer grünen Uniform) hat zu meinem Freund gesagt, dass es gar keine Karten für uns gibt.
Das war jetzt aber ganz schön blöd.
Ich habe zu der Frau gesagt und auch ein Bild dazu gemalt, damit sie das versteht, was ich ihr auf englisch (!) sage, dass wir auch auf kleinen Plastikstühlen im Zug auf dem Gang sitzen würden. Das machen hier nämlich alle, wenn keine richtigen Karten mehr da sind. Da hat die Frau noch einmal nachgedacht und uns zwei Karten verkauft – eine zum Liegen in einem Wagen mit Holzbrettern als Betten und eine um mit einem kleinen Plastiksitz auf dem Flur zu hocken. Dann hat die Frau mit der blauen Uniform Löcher in unsere Karten gemacht und wir durften zu den Gleisen. Ein Mann in einer blauen Uniform hat gesagt, wo wir warten müsse und um 14.00 Uhr kam der Zug. Wir sind dann über ein Gleis geklettert und in den Zug eingestiegen. Ein anderer Mann in einer blauen Uniform hat dann in dem Abteil mit den Holzbrettern einer jungen Frau Bescheid gesagt, dass sie aufstehen soll. Sie hat dann einen kleinen Plastikstuhl bekommen und wir mussten uns beide auf das Holzbrett setzen. Das war komisch, weil ja eigentlich nur einer von uns da sitzen sollte. Die Zugfahrt war auch lustig. Alle Leute im Abteil haben uns immer angeguckt und immer Sachen auf vietnamesisch zu uns gesagt. Die Kinder bekommen hier von ihren Mamas und Papas Red Bull zu trinken, obwohl mein Freund gesagt hat, dass da viel mehr Sachen drin sind, die wach machen, als bei dem Red Bull bei uns zu Hause. Und dann hat noch ein Mädchen gesagt, dass wir lange Nasen haben, hat der Schaffner gesagt, aber davon erzähle ich vielleicht noch später. Das war alles ganz schön aufregend.
Es gibt im vietnamesischenSchienenverkehr vier + eins Platzkategorien:
Hard seat: Harte recht unbequeme Sitzvariante, kennen wir nur vom Hörnsagen
Soft seat: Gepolsterte Plastiksitze, vermutlich frühe 80er, auf denen es sich herrlich schwitzen lässt
Hard sleep: siehe oben im Brief, 6er Abteil
Soft sleep: recht harte Matratzen, vermutlich frühe 80er, späte 70er. Meine Vermutung: ursprünglich weich, ausgehärtet durch Transpirationssalze der letzten Dekaden
und dann gibt es noch die Variante bei der man mit kleinem Plastikstuhl auf dem Gang sitzt.
Fazit: Zugfahren in Vietnam kann also nicht in Ansätzen mit dem Standard in Europa verglichen werden. Muss man aber auch nicht. Prinzipiell macht es Spass man sieht etwas von der Landschaft, die Erschütterungen halten sich in Grenzen, wenn man ein sleeper-Abteil hat wird sogar nicht geraucht, der Essens- und Getränkeservice ist stets um einen bemüht und die Schaffner passen auf, dass man alles richtig macht.
Tempo? Viel schneller als der Bus ist der Zug auch nicht unterwegs.