Schlagwörter
ACAB, Arschloch, öffentlicher Raum, exxe, Farben Sörensen, Kunst, Nixe, Schöne Katzen, Slime, Streetart, Stromfarben, taggen, Tags, Wir sagen Moin!
EIN RECHT PERSÖNLICHES – VON ABSCHWEIFUNGEN DURCHSETZTES – PLÄDOYER FÜR DEN RESPEKVOLLEN UMGANG MIT KUNST IM ÖFFENTLICHEN RAUM – ein etwas älterer Text
„Arschloch…“ ist noch eines der chamanteren Dinge, die ich mir denke… .
Was für Eltern muss man haben, wie dumm und frustriert zu gleichen Maßen muss ein Mensch sein, um so etwas zu machen.
Bei aller Sympathie und Verständnis für das adoleszente Bedürfnis sich auszudrücken, Spuren zu hinterlassen – ich begreife es einfach nicht.
Was soll das? Ja, das Brauchtum Tags zu hinterlassen ist mir bekannt. Gemeint damit sind diese kleinen Kürzel, gern mit Lackstift gesetzt, die ähnlich des Urinstrahles eines männlichen Hundes, das Revier markieren sollen – für Eingeweihte ein Code, für viele andere einfach nur lästig.
Aber das? Quer über eine kleine Nixe, ganz offensichtlich eine Kindermotiv, steht in ungelenken Buchstaben „ACAB.“, Augen, Gesicht und Körper der anderen kleinen Meeressäugerin in der gleichen Farbe übermalt. Einige weitere Schmierfinken haben mehr oder weniger dezent noch ihre Tags hinzugesenft.
Mal abgesehen von dem stumpfen, anachronistischen und ein klein wenig pauschalisierenden Charakter der Aussage (A.C.A.B. = All Cops Are Bastards), an dieser Stelle ist sie extrem unpassend und völlig deplaziert.
Was soll das, Blödmann, hm? „Alle Bullen sind Bastarde und kleine Nixen sowieso – Scheißsystem!“
Hast du das wirklich gedacht, oder warst du einfach nur besoffen und hattest gerade eine Farbdose in der Hand? Mannmannmann, die Hand möge dir verdorren und abfallen.
Streetart, Graffiti gehört da ja mit rein, beinhaltet die Idee sich die Straße, den öffentlichen Raum anzueignen. Banksy, mittlerweile ein gehypter Superstar, hat es wie viele andere gezeigt ästhetisch, kritisch und witzig im Graubereich zwischen Illegalität, Vandalismus und Kunst zu agieren.
Punkrock hat mit viel Wut, Energie, Lust an der Destruktion und der Idee sich selbst zu produzieren die Grundlage für eine Independent Kultur von Labels und Clubs gelegt, von der vielfältige Subkulturen profitieren.
Die Parole „A.C.A.B.“ stammt wohl aus England und wurde in Deutschland von der Band Slime, einer Hamburger Punkband, mittlereweile reanimiert und neu durchgestartet, geprägt und ist soetwas wie ein Punkrockklassiker. Der Song entstand Anfang der 80erJahre des letzten Jahrhunderts unter den Eindrücken, welche die ersten Punks in Deutschland mit der Exekutive machten…
Mittlerweile ist dieses Kürzel verfremdet und persifliert worden (All colours are beautiful oder auch All cats are beautiful), bzw. wie so vieles, was in einer im weitesten Sinne linken Subkultur fußt, von einer rechten (Hooligan-) Szene gekapert worden.
Und mit all dem hast du, kleiner armseliger Nixenbeschmierer nix zu tun, bestenfalls könnte man dir eine gewisse nihilistische Destruktivität zugestehen – irgendwie punkig – aber in erster Linie halt scheiße.
Wer diesen Generalwatschen in Richtung unbekannt durchgestanden hat und sich die ganze Zeit fragt, woher ich diese ganze Wut nehme…
Zum Anfang. Seit mittlerweile 11 Jahren werden von dem Flensburger Jugendtreff exxe die Flensburger Stromfarben ausgerichtet – eine Aktion gesponsort von der Stadtwerken und Farben Sörensen. An einem Wochenende im Spätsommer, gestalten mehrere Teams – bunt gemischt vom künstlerischem Laien bis zu professionellen Graffittikünstler:innen – angeleiten vom rührigen Team der Exxe einen Stromkasten im Stadtgebiet. Eine Aktion, die niemanden schadet, die meisten Menschen – zumindest die mit denen ich sprach – erfreut, Flensburg lebendiger macht und kreative Energien freisetzt.
2014 nahm ich das erste mal mit meiner damals 6jährigen Tochter daran teil, es war ein schönes Vater-Tochter-Projekt. In das Stadtbild eingreifen, etwas Gemeinsames schaffen, zusammen die Welt ein bisschen schöner machen.
Die Entwürfe lieferte meine Tochter: Nixe 1, Nixe 2 und Fische. Szenario und ein Großteil der Ausführung erfolgte durch mich. Wir waren über das Aktionswochenende hinaus an „unserem Kasten“ beschäftigt. 24 Stunden steckten wir bestimmt in die Arbeit – ehrenamtlich wenn ihr es so nennen wollt. Besonderen Anteil an unser Arbeit nahm eine ältere Anwohnerin mit russischem Akzent, die sowohl meiner Tochter, der Aktion als solches als auch dem Motiv viel Sympathie entgegenbrachte.
Seit dem ist viel passiert… meine Tochter hat zusammen mit mir einen weiteren Kasten gestaltet. Wir gewannen mit ihm den Hauptpreis – jedes Jahr wird eine Ballonfahrt im Stadtwerkeballon verlost.
Im letzen Jahr sprang meine Tochter bei einem vielleicht etwas zu ambitionierten Projekt ab – Meine Frau und ich brachten es mit einer Freundin zu Ende, mit der noch einmal und nocheinmal und 2023 erneut tätig wurden.
Meine Tochter gestaltete indes zusammen mit einer Freundin autonom einen eigenen Kasten und dann noch einmal.
Und immer, wenn ich einen unserer Kästen sehe freue ich mich, denk an meine Tochter mit 6 Jahren, die immer noch irgendwo in dem Teenie steckt, der mich zu Hause mit Missachtung straft. Und vermutlich ging es meiner Tochter ähnlich, nur dass sie an den ehemals so netten Papa erinnert wird, der sich im Laufe ihres Reifeprozesses in dieses verständnislose, keinem Trend gegenüber aufgeschlossene Monster verwandelt hat.
Und dann kamst du – Arschloch – mit deiner Sprühdose.
Ich habe dann Anfang Oktober 2021 unser Werk vom September 2014 überarbeitet…
Gesäubert, schweren Herzens auch den „Wir sagen Moin!-Aufkleber“ abgekratzt – von wegen Broken-Windows-Theorie – und dann ausgebessert, übermalt, abgeklebt… Die Hintergundfarbe ist jetzt nicht mehr ganz so optimistisch, das Lächeln der Nixe etwas schiefer und die Farbwahl der Fische variiert auch geringfügig und partiell scheint noch etwas von der Farbe des Attentäters durch, aber das Werk ist wieder hergestellt. Der letzte Feinschliff steht noch aus, der soll dann gemeinsam mit meiner Tochter erfolgen. Wieder war ich bestimmt zehn Stunden beschäftigt und wieder war die freundliche Dame mit dem osteuropäischen Akzent vertreten, die über die Hooligans schimpfte, welche unsere kleinen Nixen geschändet hatten.
Also… Fazit… Egal wer da nun sprühender und taggender Weise durch die Gegend zieht… denkt doch mal ein bisschen drüber nach WO ihr eure Ergüsse hinterlasst. Es gibt durchaus Orte, die ohnehin nicht sehr ansehnlich sind…
aber lasst die Finger doch einfach von den Arbeiten anderer, insbesondere von kleinen Nixen… doof das.